Zahlreiche Eindrücke und Erlebnisse an der Ostseeküste
Für alle Fischerei-Interessierte war die Teilnahme an der Fischerei-Lehrfahrt vom 31. Mai bis 4. Juni nach Mecklenburg-Vorpommern eine inspirierende und interessante Erfahrung.
Tag 1:
Am Tag der Anreise besuchten wir die Indoor-Aquakulturanlage in Hohen Wangelin. Dieses Vorzeigeprojekt des Landes Mecklenburg-Vorpommern erprobt und erforscht die Möglichkeiten der Zanderproduktion im Kreislaufsystem. Der Leiter der Anlage, Herr Stüecken, erklärte die Funktion der Anlage und berichtete in großer Offenheit über die Konzepte und auch großen Herausforderungen bei der Zanderzucht. Auch die technischen und ökonomischen Herausforderungen verhehlte Herr Stüecken nicht. Die anschließende ausführliche Fachdiskussion mit den Teilnehmenden brachte ihnen neue Erkenntnisse und Einblicke in die Indoor-Aquakultur.
Als nächsten Programmpunkt erlebten wir traditionelle Seenfischerei mit besonders kreativer Fischverarbeitung, vielfältiger Direktvermarktung und originellen Fischevents im „Welshof“ der Familie Schliemann. Der Senior des Welshofs berichtete uns von der Gründung und Entwicklung des Familienbetriebes. Bei der ausführlichen Vorstellung wurde deutlich, dass aktuell vor allem die Gastronomie der Schwerpunkt des Betriebes ist und Seenfischerei nur mehr eine Nebenbeschäftigung darstellt. Beim Mittagessen konnten wir verschiedene Zubereitungen des afrikanischen Welses kosten und uns damit bereits auf den nächsten Betriebsbesuch einstimmen.
Nachmittags ging es um Produktion und Vermarktung afrikanischer Welse in Altkahlen. Mit der Abwärme einer großen Biogasanlage produziert die Agrargesellschaft Altkalen afrikanische Welse und vermarktet die Fische erfolgreich. Der Produktionsleiter für Aquakultur, Herr Max von Merkatz, erklärte uns alle Produktionsschritte von der Erbrütung bis zum Speisewels. Er berichtete vom hohen Energiebedarf, der in Altkalen aus der Biogasanlage gedeckt wird. Auch die schwierige Markteinführung des afrikanischen Welses schilderte er und erläuterte dabei, dass nur strikte Qualitätsphilosophie zum Erfolg des Betriebes verholfen hat. Zum Abschied überreichte uns Herr von Merkatz noch Konserven mit verschiedenen Zubereitungen des afrikanischen Welses aus der Produktion des Betriebes.
Tag 2:
Am 1.06. besuchten wir zunächst den Nationalpark „Vorpommersche Boddenlandschaft“ und lernten bei einer Wanderung die maritime Natur des darß´waldes und der Boddengewässer kennen. Die an diesem Tag etwas stürmische Ostsee hinderte uns nicht daran, einen Spaziergang an der Küste zu genießen.
Mit den regionaltypischen Zeesbooten fuhren wir über den Saaler Bodden und lernten die traditionelle Boddenfischerei kennen. Die Fischerei mit Zeesbooten ist immaterielles Kulturerbe in Deutschland – genauso wie die Karpfenteichwirtschaft in Bayern. Die Zeesboot-Fahrt über den Saaler Bodden war ein echtes Erlebnis für uns Landratten und wir konnten etwas in die Fischertradition eintauchen.
In der Fischzuchtanlage Born des Landes Mecklenburg-Vorpommern informierten wir uns anschließend über Vermehrung und Zucht von Ostsee-Stör und Ostsee-Schnäpel. Der zuständige Mitarbeiter, Herr Carsten Kühn, berichtete sehr offen über die Projekte des Betriebes. Er erklärte Biologie und Zucht der Schnäpel und Ostsee-Störe und stellte die Artenschutz- und Wiederansiedlungsprogramme mit diesen Fischarten ausführlich vor.
Tag 3:
Am 2.06. ging es zum Fischereihafen Sassnitz auf der Insel Rügen. Dort informierten wir uns auf dem Museumsschiff HAVEL und im Hafen über Geschichte, Fangmethoden und die aktuelle Situation der Ostsee-Fischerei. Herr Markus Röhrbein, Geschäftsführer der FLAG Rügen erläuterte uns die Veränderungen der letzten Jahrzehnte und berichtete vom Niedergang der Erwerbsfischerei. Mit EMFF-Förderung, aber auch mit Städtebau- und Strukturförderung wird aktuell der ehemalige Fischereihafen zum Tourismushafen umstrukturiert und versucht Arbeitsplätze und Zukunftsperspektiven zu schaffen.
Nachher fuhren wir mit dem Boot zu den berühmten Kreidefelsen von Rügen und lernen die großartige Natur im Nationalpark Jasmund kennen. Auf dem Rückweg besuchten wir einen Berufsfischer auf Rügen und informieren uns zu aktuellen Fischereiproblemen und Zukunftsaussichten. Bei einem Fisch-Grillabend genossen wir die Spezialitäten des Betriebes. Der Shantychor Sassnitz unterhielt uns mit maritimer Folklore.
Tag 4:
Am 3.06. besuchten wir in Freest den größten Fischereihafen in Mecklenburg-Vorpommern und informierten uns bei der Fischereigenossenschaft Peenemündung-Freest über Fischfang, Verarbeitung und Vermarktung. Der Geschäftsführer der Genossenschaft, Herr Michael Schütt, gab in einem sehr interessanten Vortrag zunächst Einblick in die Geschichte und Entwicklung seines Betriebes und der kleinen Hochseefischerei in der Ostsee. Er berichtete vom Niedergang dieses traditionellen Erwerbszweiges. „Vor der Wende fingen wir in der DDR 50.000 t Hering pro Jahr, nächstes Jahr soll die Quote auf Null gesetzt werden. Ähnlich ist es beim Dorsch, dessen Fang nur noch als Beifang erlaubt ist. Hinzu kommen Bürokratie und Kontrollen, die uns Fischer zermürben. Auf jeden Fischer kommen 7 Beamte in der Fischerei und Umweltbehörde, die uns überwachen“, so der frustrierte Michael Schütt. Aktuell versucht die Fischereigenossenschaft sich mit Verarbeitung zugekaufter Fische notdürftig über Wasser zu halten. Die köstlichen Produkte konnten wir zum Mittagsimbiss genießen.
Mit dem Boot fuhren wir zu den Robbenbänken. In der Ostsee haben sich die Kegelrobben stark vermehrt und sind dort ein ähnliches Problem wie der Fischotter in Bayern. Mittlerweile gibt es nach Angaben der Fischer deutlich über 50.000 dieser 300 kg schweren Raubtiere. Hinzu kommen große Kormorankolonien. Bei unserer Bootsfahrt sahen wir Sandbänke die schwarz vor Kormoranen waren, nach Angaben der Kollegen gibt es allein in der Greifswalder Bucht 6000 Kormorane. Die Schuld am Rückgang der Bestände von Hering, Dorsch und anderen Fischen wird aber nur den Fischern auferlegt.
Im historischen, denkmalgeschützten Fischerdorf Wieck informierten wir uns über Fischerei-Historie und Tourismus. Wir konnten einen gelungenen Strukturwandel zum Meerestourismus erleben. Die historischen Fischerkaten und Kapitänshäuser bilden hierfür eine wunderbare Kulisse.
Tag 5:
Am Tag der Abreise besuchten wir das Ozeaneum in Stralsund und lernten mit fachkundigen Erklärungen viel über die Fischerei und Ökologie nicht nur in der Ostsee. Unsere Begleiterinnen gaben sich große Mühe die Ökologie der nordischen Meere und die Welt der Fische darzustellen. Die großen Aquarien des Ozeanums waren großartig.
In der Fischereigenossenschaft Obere Havel in Wesenberg informierten wir uns noch einmal über die Fluss- und Seenfischerei in Mecklenburg-Vorpommern und genossen zum Mittagessen die vielfältigen Produkte der kreativen Direktvermarktung. Betriebsleiter Martin Bork berichtete zunächst von den Strukturen seines genossenschaftlichen Betriebes. Derzeit wird das Unternehmen von 5 Genossen, alles Familienangehörige, geleitet. Hinzu kommen 30 Mitarbeiter*innen. Martin Burk erklärte, dass die Genossenschaft 5700 ha Seenfläche erfolgreich bewirtschaftet. Die Fänge werden zum großen Teil für die Direktvermarktung in 4 Fischereihöfen verarbeitet. Ein geringer Teil wird an Fischereivereine als Besatzfische lebend verkauft. „Unser Betrieb liegt sehr günstig in geringer Entfernung zur Millionenstadt Berlin. Zudem führen Havel-Wasserstraße, Rad- und Wanderwege an unseren Fischereihöfen vorbei. Das begünstigt unser Vermarktungskonzept. Wir sind 7 Tage die Woche für unsere Gäste da und bieten eine Vielzahl verschiedener Fischzubereitungen an. Das ist das wirtschaftliche Haupt-Standbein des Betriebes“, so Martin Burk. Zum Mittagessen bei herrlichem Wetter am Ufer des Woblitzsees konnten wir uns von der hohen Qualität und der enormen Vielfalt überzeugen. Die Fisch-Soljanka und der Brathecht sauer bleiben den Teilnehmenden lange in Erinnerung.
Anschließen ging es zurück nach Schönficht. Mit vielen interessanten Eindrücken und neuen, persönlichen Kontakten kehrten die Teilnehmenden der Fischerei-Lehrfahrt wieder heim und lassen ihre gesammelten wertvollen Erfahrungen und neue Ideen in ihre tägliche Arbeit einfließen. Insbesondere die Intensität des beruflichen Austausch, der in den letzten Jahren gezwungenermaßen gelitten ist, und der Ideenreichtum der Berufskollegen im und außerhalb des Fischwirtschaftsgebiets wurden in den Rückmeldungen der Teichwirte klar hervorgehoben. Der besondere Dank geht an Hans Klupp – den unermüdlichen Organisator und Reiseleiter der Fischerei-Lehrfahrten im Fischwirtschaftsgebiet Tirschenreuth. Die Lehrfahrt nach Mecklenburg-Vorpommern wurde aus dem Europäischen Meeres- und fischereifonds 2014-2020 gefördert.