Slow Food Deutschland beeindruckt von der Karpfenzucht / Wertschätzung für den Karpfen muss dringend steigen

Eine Slow Food Wurzeltour ist etwas ganz Besonderes – ein Produkt von den „Wurzeln“ bis zur Veredelung zu verfolgen und dabei einen besonderen Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit zu legen ist für die Verbraucher aktueller denn je.

Umso stolzer war die ARGE Fisch vergangenen Sonntag auf den Besuch zahlreicher Slow Food-Vertreter und -Interessierter aus ganz Deutschland im heimischen Fischstüberl in Muckenthal. Sonntagvormittag nahmen die Teilnehmer Fahrtstrecken aus Fürth, Nürnberg, Regensburg und sogar aus Köln in Kauf, um den Muckenthaler Karpfen kennenzulernen.

Nach einer Teichführung von Fischwirtschaftsmeister und Betriebsleiter Klaus Bächer ging es ins Fisch-Restaurant des Familienbetriebs. Dort fand eine Diskussion mit spannenden Teilnehmern statt. Allen voran waren Dr. Rupert Ebner, Vorstandsmitglied von Slow Food Deutschland und Leiter Umwelt, Gesundheit und Klima der Stadt Ingolstadt sowie Dr. Martin Oberle von der Fachabteilung Fischerei der bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft zu Gast. Auch Lena Bächer und Fabian Polster von der ARGE Fisch aus dem Landkreis Tirschenreuth waren dabei, ebenso Klaus Bächer und die Oberpfälzer Teichnixe Sophia Bächer.

Den Auftakt machte Ebner, der erläuterte, dass Slow Food seit kurzem ein großes Augenmerk auf das Thema Fisch lege. „Von den fünf Fischarten die in Deutschland am meisten verkauft werden, gelten inzwischen vier als bedroht. Das sind der Lachs, der Thunfisch, der Hering und natürlich der Seelachs, aus dem Fischstäbchen gemacht werden. Nur die Forelle kann derzeit noch halbwegs bedenkenlos gekauft und verzehrt werden.“ Es sei höchste Zeit, sich Alternativen zu suchen, die nachhaltig und naturnah produziert werden. „Ich bin tief beeindruckt von der Teichführung und der Art, wie hier Karpfen produziert wird. Ich habe selten erlebt, dass ein Lebensmittel so naturnah erzeugt wird.“ In Verbindung mit den kurzen Wegen die der Karpfen zurücklegt sei der Fisch im Sinne nachhaltiger Ernährung ein ideales Produkt.

Dr. Martin Oberle nahm diese Ausführungen zum Anlass, auf die Einzigartigkeit dieser Erzeugung hinzuweisen. Die geringen Besatzdichten in den Tirschenreuther Teichen, die deutlich unter den Vorgaben des Freistaates Bayern und auch unter den Bio-Richtlinien der Europäischen Union lägen und die Fütterung von reiner Naturnahrung mache die extrinsische Karpfenzucht zur nachhaltigsten Produktion von Fisch überhaupt, so Oberle. „Das große Problem, das Karpfen hat, ist der zu geringe Stellenwert in der Bevölkerung, welcher sich gravierend auf den Preis auswirkt. Ein Teichwirt kann von einem Mindestlohn nur träumen.“

Lena Bächer, stellvertretende Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Fisch im Landkreis Tirschenreuth, welche sich seit über 20 Jahren für eben diese Wertschätzung des Karpfens einsetzt, hakte hier ein: „Karpfen ist schmackhaft, gesund und wird regional erzeugt. All das sind Themen, die derzeit wieder mehr und mehr ins Bewusstsein der Menschen rücken. Die ARGE Fisch arbeitet seit mittleiweile Jahrzehnten kontinuierlich daran, den Stellenwert des Karpfens zu verbessern, wir brauchen hierfür aber Partner, die uns unterstützen.“

Klaus Bächer, der, wie er selbst erzählt, zwei Drittel seines Lebens dem Karpfen gewidmet hat, nimmt sich anschließend nochmal die Zeit, um seine Vermarktung zu erläutern. „Wir liefern unseren Fisch nicht weiter als in einem Radius von 100 Kilometer, und wir wollen mit unserem Fisch auch nicht weiter, wir setzen auf kurze Wege, Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit,“ so der Fischwirtschaftsmeister. Um einen gerechteren Preis durchsetzen zu können, müsse die Nachfragekultur gefördert werden: „Woher kommt mein Fisch? Kommt er aus einer Aquakultur aus Osteuropa oder wird er tatsächlich hier vor Ort in einem Familienbetrieb erzeugt und ist es mir deshalb Wert, einen gerechten Preis zu zahlen. Das sind Fragen, die sich die Leute stellen müssen“.

Dr. Oberle beziffert den Preis für ein Kilo Karpfen derzeit auf ca. 2 Euro. „Da ist eigentlich ein unhaltbarer Zustand“, so der Experte der Karpfenteichwirtschaft. Dem konnte Dr. Ebner nur zustimmen, der von der besten Veranstaltung sprach, die Slow Food je gemacht hat. Er wolle es sich auf die Fahnen schreiben, das Image des Karpfens mit Nachdruck zu verbessern, weitere Veranstaltung mit der ARGE Fisch sollen in Angriff genommen werden, was vor allem Fabian Polster, Projektmanager der ARGE, sehr freut.

Die zahlreichen Informationen, die es rund um den heimischen Fisch gab, mussten dann aber auch kulinarisch erlebt werden. Und hier hatten sich Manuela und Elsa Bächer wieder etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Neben dem Klassiker, dem „Stiftlandkarpfen blau“ und dem allseits beliebten Karpfenfilet im Bierteig gab es auch ein mediterranes Karpfenfilet mit Stiftländer Rapsöl. Vorgestellt wurden die Gerichte von der Oberpfälzer Teichnixe Sophia, die auch an diesem Tag wieder für zahlreiche Fotos und Autogramme zur Verfügung stand. Vor allem das grätenfreie Filet hinterließ einen bleibenden Eindruck, da viele der weit angereisten Gäste dies so nicht kannten. Zur Krönung der Veranstaltung ließ es sich Klaus Bächer nicht nehmen, das Filetieren per Hand vorzuführen. Neben großem Applaus für die Familie Bächer waren ein vollkommen leergekaufter Fischladen der Familie die Folge einer weiteren rundum gelungen Veranstaltung der diesjährigen Karpfensaison.

Weitere Fotos der Veranstaltung finden Sie hier.

 

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